Wett­be­wer­be sind Aus­druck ei­ner frei­en und chan­cen­g­lei­chen Ge­sell­schaft. Ihr of­fe­ner Zu­gang stellt ei­nen recht­lich ge­si­cher­ten Wert und ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zur Bau­kul­tur in un­se­rem Land dar. Doch die Ver­ga­be­ver­fah­ren öf­f­ent­li­cher Auf­trag­ge­ber für Pla­nungs­leis­tun­gen in den Be­rei­chen Ar­chi­tek­tur, Land­schafts­ar­chi­tek­tur, In­nen­ar­chi­tek­tur und Stadt­pla­nung sind durch ei­ne sys­te­ma­ti­sche Aus­g­ren­zung der gro­ßen Mehr­heit der in Deut­sch­land tä­ti­gen Bür­os ge­kenn­zeich­net. Auf Grund re­s­trik­ti­ver Zu­gangs­be­schrän­kun­gen be­steht für die meis­ten Bür­os kei­ne Mög­lich­keit mehr, an die­sen Ver­fah­ren teil­zu­neh­men - fast der kom­p­let­te Be­rufs­stand bleibt da­mit von öf­f­ent­li­chen Bau­auf­ga­ben aus­ge­sch­los­sen.

Dies führt zu ei­ner enor­men Ein­schrän­kung der Di­enst­leis­tungs- und Wett­be­werbs­f­rei­heit, ver­stößt ge­gen we­sent­li­che Grund­sät­ze der VOF und RPW so­wie ge­gen das Ge­setz zur Ver­mei­dung von Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen (GWB).

Aus die­sem Grund hat die ,wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ An­fang Ju­ni 2014 ei­ne Be­schwer­de bei der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on bei der An­walts­kanz­lei „Fresh­fields Bruck­haus De­rin­ger“ in Auf­trag ge­ge­ben, die im Fe­bruar 2015 in Brüs­sel ein­ge­reicht wur­de.

Die Gel­der da­für wur­den über ei­ne Spen­den­ak­ti­on, an der sich ei­ne Viel­zahl Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen be­tei­ligt ha­ben, ge­sam­melt. Die­se Un­ter­stüt­zung zeigt deut­lich, dass ein Groß­teil des Be­rufs­stan­des drin­gen­den Hand­lungs­be­darf sieht.

Dar­über hin­aus wur­de die Kanz­lei "Fresh­fields Bruck­haus De­rin­ger" mit der Er­stel­lung ei­nes Rechts­gu­t­ach­tens zur deut­schen Ver­ga­be­pra­xis mit kon­k­re­ten Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für die Um­set­zung der EU-Richt­li­nie 2014/24EU be­auf­tragt. Bei­de Pa­pie­re ste­hen auf die­ser Sei­te zum Down­load be­reit.

Ziel­ka­ta­log zur Ver­bes­se­rung öf­f­ent­li­cher Ver­ga­be­ver­fah­ren

Die Ver­ga­be­ver­fah­ren öf­f­ent­li­cher Auf­trag­ge­ber für Pla­nungs­leis­tun­gen in den Be­rei­chen Ar­chi­tek­tur, Land­schafts­ar­chi­tek­tur und Stadt­pla­nung sind durch ei­ne sys­te­ma­ti­sche Aus­g­ren­zung der gro­ßen Mehr­heit der in Deut­sch­land tä­ti­gen Bür­os ge­kenn­zeich­net. Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ rügt hier­bei ins­be­son­de­re die ste­ti­ge Ver­schär­fung der Zu­gangs­be­din­gun­gen zu die­sen Ver­fah­ren, so­wie die kon­ti­nu­ier­li­che Ver­la­ge­rung der ei­gent­li­chen Wett­be­werbsauf­ga­be in Rich­tung in­tran­s­pa­ren­ter und ma­ni­pu­la­ti­on­s­an­fäl­li­ger "Vor­aus­wahl­ver­fah­ren". Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ sieht hier ei­ne Ver­let­zung we­sent­li­cher Grund­sät­ze der VOF und RPW. Die Gleich­be­hand­lung al­ler Teil­neh­mer, das Auf­s­tel­len an­ge­mes­se­ner, tran­s­pa­ren­ter und nicht­dis­kri­mi­nie­ren­der Zu­gangs­kri­te­ri­en wer­den durch die Ver­ga­be­pra­xis öf­f­ent­li­cher Auf­trag­ge­ber be­wusst un­ter­lau­fen.

Fak­ten:

Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ for­dert die öf­f­ent­li­che Hand auf, Ver­ga­be­ver­fah­ren oh­ne Pla­nungs­wett­be­werb (z.B. rei­ne Ver­hand­lungs­ver­fah­ren nach VOF) nur noch in zwin­gend not­wen­di­gen Aus­nah­me­fäl­len zu­zu­las­sen.

Die Chan­cen­g­leich­heit zur Teil­nah­me an ei­nem Pla­nungs­wett­be­werb muss grund­sätz­lich für je­den Teil­neh­mer ge­währt sein. Der Zu­gang zu den Ver­fah­ren der öf­f­ent­li­chen Hand darf nicht durch un­an­ge­mes­se­ne Eig­nungs­kri­te­ri­en ver­wehrt wer­den.

Nicht die Aus­wahl­kri­te­ri­en zur Teil­nah­me an ei­nem Wett­be­werb son­dern die je­wei­li­ge Leis­tung inn­er­halb des Pla­nungs­wett­be­wer­bes muss über die Ver­ga­be ei­nes öf­f­ent­li­chen Pla­nungs­auf­tra­ges ent­schei­den.

  1. Ver­ga­be­ver­fah­ren oh­ne Pla­nungs­wett­be­werb stel­len inn­er­halb der Pla­nungs­dis­zi­p­li­nen nach HOAI kein ge­eig­ne­tes Mit­tel dar, um ei­ne zu­künf­ti­ge und je­weils pro­jekt­be­zo­ge­ne Leis­tung­s­prog­no­se qua­li­fi­ziert zu be­wer­ten. Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ for­dert öf­f­ent­li­che Auf­trag­ge­ber da­her auf, Ver­ga­be­ver­fah­ren oh­ne Pla­nungs­wett­be­werb (z.B. rei­ne Ver­hand­lungs­ver­fah­ren nach VOF) nur noch in zwin­gend not­wen­di­gen Fäl­len zu­zu­las­sen.
  2. Für al­le öf­f­ent­li­chen Bau­auf­ga­ben, die laut HOAI in der Honor­ar­zo­ne I - III lie­gen, for­dert die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ ge­ne­rell of­fe­ne Ver­fah­ren. Für den Zu­gang muss die Kam­me­r­ein­tra­gung als Eig­nungs­nach­weis grund­sätz­lich ge­nü­gen. So­fern die An­zahl der Be­wer­ber die vom Aus­lober ge­wünsch­te Teil­neh­mer­zahl über­sch­rei­tet, ist die Aus­wahl des Teil­neh­mer­felds durch Los­ent­scheid zu tref­fen.
  3. Öf­f­ent­li­che Bau­auf­ga­ben, die in der HOAI-Honor­ar­zo­ne IV und V lie­gen, sol­len im Re­gel­fall eben­falls als of­fe­ne Ver­fah­ren durch­ge­führt wer­den. So­weit die pro­jekt­spe­zi­fi­sche Auf­ga­ben­stel­lung da­bei zwin­gend höhe­re Eig­nungs­kri­te­ri­en als die Zu­las­sung­s­ur­kun­de er­for­dert, dür­fen die An­for­de­run­gen zur Teil­nah­me nur durch pro­jek­t­an­ge­mes­se­ne Eig­nungs­kri­te­ri­en er­höht wer­den. Das "Her­ab­sie­ben" des Teil­neh­mer­fel­des durch über­trie­be­ne Eig­nungs­kri­te­ri­en bis zu der vom Aus­lober ge­wünsch­ten Teil­neh­me­r­an­zahl ist un­zu­läs­sig. So­fern mehr ge­eig­ne­te Be­wer­ber zur Ver­fü­gung ste­hen als die vom Aus­lober be­ab­sich­tig­te Zahl, ist die Aus­wahl der po­ten­ti­el­len Be­wer­ber durch Los­ent­scheid zu tref­fen.
  4. Bei Be­wer­bungs­ver­fah­ren mit er­höh­ten Eig­nung­s­an­for­de­run­gen dür­fen grund­sätz­lich nur Re­fe­ren­zen ge­for­dert wer­den, die sich inn­er­halb der glei­chen Honor­ar­zo­ne be­we­gen. Die ge­for­der­ten Re­fe­ren­zen müs­sen nicht zwangs­läu­fig rea­li­sier­te Pro­jek­te dar­s­tel­len. Der Nach­weis der Leis­tungs­pha­sen 2-5 soll aus­rei­chend sein. Der Nach­weis al­ter­na­ti­ver Re­fe­ren­zen in die­ser Honor­ar­zo­ne muss zu­läs­sig sein. Die Ab­fra­ge von mehr als ei­nem "Re­fe­renz­pro­jekt" ist prin­zi­pi­ell un­an­ge­mes­sen. Re­fe­ren­zen pri­va­ter Auf­trag­ge­ber müs­sen gleich­wer­tig zu Re­fe­ren­zen öf­f­ent­li­cher Auf­trag­ge­ber be­wer­tet wer­den.
  5. Das „Her­ab­sie­ben“ des Teil­neh­mer­k­rei­ses auf die ge­wünsch­ten Teil­neh­mer­zah­len durch ei­ne Be­wer­tung der „Mehr-Eig­nung“ (Punk­te­ver­ga­be-Be­wer­tungs­ma­trix) wi­der­spricht den Grund­sät­zen der VOF und RPW. Die­se Aus­wahl­ver­fah­ren müs­sen auf­grund ih­rer In­tran­s­pa­renz und Ma­ni­pu­lier­bar­keit zu­künf­tig aus­ge­sch­los­sen wer­den. Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ emp­fiehlt die Be­wer­tung der Eig­nungs­kri­te­ri­en durch "er­füllt/ nicht er­füllt" zu er­set­zen. Die dies­be­züg­li­chen Ent­schei­dun­gen sind vom Aus­lober in je­dem Ein­zel­fall ein­deu­tig und nach­voll­zieh­bar zu be­grün­den. So­fern mehr ge­eig­ne­te Be­wer­ber zur Ver­fü­gung ste­hen als die vom Aus­lober be­ab­sich­tig­te Zahl, ist die Aus­wahl der po­ten­ti­el­len Be­wer­ber durch Los­ent­scheid zu tref­fen.
  6. Die ‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ for­dert die öf­f­ent­li­chen Auf­trag­ge­ber auf, bei al­len Ver­ga­be­ver­fah­ren nach VOF un­ter dem Schwel­len­wert ver­mehrt di­rek­te Zu­la­dun­gen von Be­ruf­s­an­fän­gern und klei­ne­ren Bür­o­or­ga­ni­sa­tio­nen aus­zu­sp­re­chen.

‚wett­be­werbsin­i­tia­ti­ve‘ - Ber­lin, den 06.12.2011